Biografie
Ich bin 1950 in Sélestat (Schlettstadt) mitten im Elsass geboren. Meine Kindheit habe ich in einem kleinen Dorf an der Weinstraße verbracht. Im Mai 68 war ich gerade mal 18 Jahre alt. Ich habe Jura studiert, zum Teil in Deutschland (Universität des Saarlandes), zum Teil in Frankreich (Universität Straßburg).
Fünfundzwanzig Jahre lang habe ich in Straßburg den Beruf des Rechtsanwalts ausgeübt. Zu Recht wurde ich als “linker Anwalt” eingestuft. Den Beruf habe ich geliebt und ich schulde ihm einen Großteil dessen, was aus mir geworden ist.
Aber mir schien, dass ich mit fünfzig Jahren damit abgeschlossen hatte. Zumal ich schon immer, parallel zu meinem Hauptberuf, im Theaterleben engagiert war, als Autor, als Schauspieler und als Regisseur.
Also habe ich am Vorabend meines fünfzigsten Geburtstags die Anwaltskammer verlassen und für meine Freunde, Kollegen und Klienten ein großes Fest organisiert, unter dem Motto: “je tombe la robe”, “ ich lasse die Robe fallen!”
Meine Arbeit wurde durch verschiedene Auszeichnungen links und rechts des Rheins gewürdigt:
In Frankreich 1989 durch die Bretzel d'or (die Goldene Bretzel) und 1999 durch die Ernennung zum Chevalier des Arts et des Lettres (Ritterorden der Kunst und Literatur); in Deutschland 2017 anlässlich der Zonser Hörspieltage durch den Preis für das beste Hörspiel und 2019 durch den Ehrenpreis des Hebelbundes.
Seit dem Jahr 2000 lebe ich in einem Vogesental, in Sainte-Marie-aux Mines, am Fuße des Taennchel, einem Berg, der mich seit meiner Kindheit fasziniert. Und dort schreibe ich, manchmal aber auch in Straßburger Kneipen, denn in Straßburg habe ich immer noch einen Zweitwohnsitz.
Seit 45 Jahren lebe ich mit Astrid Ruff, meiner Ehefrau zusammen, auch sie ist im Kulturleben engagiert, insbesondere im Bereich der jiddischen Lieder. Wir haben zwei Söhne, Nathan und Léonard. Ich bin auch der Vater von Céline, die vor meiner Begegnung mit Astrid das Licht der Welt erblickt hat. Und ich bin siebenfacher Großvater. Jawohl, siebenfach!
Ich war, glaube ich, ein engagierter Rechtsanwalt, aber ich bin kein engagierter Schriftsteller. Das Schreiben ist an sich schon ein Engagement. Es rechtfertigt sich selbst.
Referenzen und Anregungen
Der Schriftsteller ist ein Schwamm, der die Welt, in der er lebt, auf seine Weise aufnimmt. Auch die Stimmen seiner Lieblingsautoren klingen, wenn auch unbewusst, stets durch.
Auf der Grundlage dieser Einflüsse versucht er, seinen eigenen Weg zu finden, wobei ihn ein zufallsbedingtes Navy leitet, das ihn nicht selten in eine Sackgasse führt.
Ich liebe Proust, weil seine Sätze so entzückend lang sind. Ich liebe Raymond Carver, weil sein Schreiben so unübertrefflich minimalistisch ist.
Manchmal mache ich mir beim Lesen einen Spaß daraus, ihre Sätze zu zerpflücken.
Und dann vergesse ich alles wieder und versuche, meinen eigenen Rhythmus, meinen eigenen Ton zu finden. Rhythmus und Ton: zwei Schlüsselbegriffe um zu spüren, was stimmig ist, d.h. was mir entspricht und mit dem übereinstimmt, was ich erzähle.
Ich habe noch nie Lyrik veröffentlicht. Aber ich spüre, ich weiß, dass unpoetische Prosa nur an einer Störung im Navy des Autors liegen kann.
Milan Kunderas "Kunst des Romans" ("L’Art du roman") ist eine meiner Lieblingslektüren. Um mein Interesse für dieses Buch zu verstehen – das Interesse an einem erklärten Handwerker der Literatur – genügt ein Satz: "Der einzige Zweck eines Romans besteht darin, dass er ausdrückt, was nur der Roman ausdrücken kann."
Das Schreiben ist eine einsame Übung. Aber es ist meines Erachtens bereichernd und notwendig, sich mit Kollegen auszutauschen. Und im Elsass gibt es viele Leute, die schreiben. Um der Begegnung und der Geselligkeit willen haben wir vor etwa zehn Jahren mit einigen Schriftstellerfreunden den Verein Litter’Al gegründet.
Ich bin auch ein eifriger Leser des Blogs des Schriftstellers Pierre Ahnne, der viele Kritiken zu zeitgenössischen Werken der französischen und ausländischen Literatur schreibt. Auch wenn sie nie klar formuliert ist, steht hinter all diesen Kritiken die Frage: Literatur, was ist das eigentlich? Er gibt keine Antwort darauf, und auch ich habe keine. Deshalb schreibe ich einfach weiter und versuche, auf diese Weise wenigstens den Anfang einer Antwort zu finden.
Auf der Bühne
Theater · Regie · Komödie
Das Theater hat mich zum Schreiben veranlasst. Zunächst ein kollektives Schreiben mit der „Jungen Elsässer Bühne“ zwischen 1975 und 1981. Danach hat das Theater etwa zwanzig Jahre lang eine bedeutende Rolle in meinem Leben gespielt, wobei ich abwechselnd oder auch gleichzeitig die Rolle des Autors, des Regisseurs und des Schauspielers übernommen habe.
Im Lauf der Jahre kam es zu diversen Formen der Zusammenarbeit: die Theater von Lichtenberg und Truchtersheim, das "Théâtre en l’air", Roger Siffers "Choucrouterie" in Straßburg, das Théâtre de la Cruelle, das Scala, das deutsch-französische Theater Baden - Elsass u.a.
Aber mein großes Theaterabenteuer der letzten Jahre war meine Begegnung mit dem Regisseur Olivier Chapelet, der übrigens der Direktor des TAPS (théâtre actuel et public de Strasbourg) ist, und dem Schauspieler Francis Freyburger. Wir drei haben eine Trilogie ins Leben gerufen, deren dritter Teil im November 2024 im TAPS Scala uraufgeführt wird.
2011 wurde "Der Seelenhüter" als Theaterstück aufgeführt. Ausgehend vom gleichnamigen Roman entstand auf Bitten Oliviers eine Version in Elsässischer Sprache, die von Francis in seinem herrlichen Thaler Dialekt aufgeführt wurde. Das mit französischen Übertiteln versehene Stück wurde vom Publikum sehr gut aufgenommen, so auch beim Theaterfestival in Avignon.
2015 wurde eine elsässische Version mit französischer Übersetzung von "Ich ben a beesi Frau – Je suis une méchante femme" veröffentlicht. Der Monolog war ursprünglich nicht speziell für das Theater geschrieben. Aber zu meiner großen Überraschung beschließt Francis, diese Frauenrolle zu übernehmen. 2018 wurde daraus eine ganz verblüffende Inszenierung, die in Straßburg und auf Tournee im Elsass großen Erfolg hatte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Olivier die Idee für eine Trilogie. Er bat mich, erneut einen Monolog im elsässischen Dialekt zu schreiben. Daraus wurde "Ich wart uf de Theo – En attendant Théo". Der 2022 veröffentlichte Text entstand also in der Vorstellung, dass auch diesmal Francis die Rolle auf Elsässisch mit französischen Übertiteln übernimmt. Uraufführung im TAPS Scala im November 2023.
Im Rundfunk
Hörspiele, die im Schweizer und im Deutschen Rundfunk gesendet wurden.
Im Lauf der Jahre sind Hörspiele im französischen Rundfunk immer seltener geworden. Bei unseren deutschsprachigen Nachbarn ist das nicht der Fall. Dort haben derlei Werke eine lange Tradition und sind fester Bestandteil des literarischen Lebens.
Die meisten deutschsprachigen Autoren haben Texte für den Rundfunk geschrieben.
Einige meiner Texte fanden Beachtung bei Radio Zürich, SFR, aber hauptsächlich beim deutschen Sender SWR2.
Die Produktionen in zeitlicher Reihenfolge :
"Le Gardien des âmes" - D'r Seelahhiater
"Je suis une méchante femme" - Ich ben a beesi frau (SWR) - Ich bin ä beesi frau (SFR)
"Vies dérobées" - Verloreni Iaawa
"En attendant Théo" - Ich wàrt uf de Theo
Diese Hörspiele, die auf der Grundlage meiner Werke entstanden sind, wurden auf Elsässisch aufgenommen, einer alemannischen Sprache also, die den Menschen am Oberrhein gemeinsam ist, und dies unabhängig von der Originalsprache der Texte. Wenn erforderlich, habe ich die Übersetzungen oder Bearbeitungen auf Elsässisch geschrieben.
Für diese Produktionen wurden meist sehr gute elsässische Schauspieler engagiert, die noch den Elsässischen Dialekt beherrschen. Ihre Namen sind auf der Webseite des SWR zu finden.
Die schweizerische Version von "Ich bin a beesi Frau" hat 2017 den ersten Preis beim internationalen Festspiel Zons in Nordrhein- Westfalen erhalten, eine Produktion des Zürcher SFR, unter der Regie von Margret Nonhof.
Wenn ich hin und wieder den Status eines “rheinischen Schriftstellers“ beanspruche, so hat das damit zu tun, dass ich denke, dass meine Texte auf diese Weise die Aufmerksamkeit gewisser Produzenten der Nachbarländer auf sich ziehen.